Passion – Ich war dabei!

Ich bin Petrus.

Ich bin ein kämpfender moderner Kreuzritter. Voller Eifer und Überschwang gelobe ich Gott, ihn zu verteidigen und greife für ihn zur Waffe. Mein Schwert ist kein metallenes Schwert, mit dem Petrus dem Diener des Hohen Rates ein Ohr abschlug, sondern der Dolch harter Worte, verfluchender Worte, verletzender Worte, die andere mitten ins Herz treffen, oft genug die Schwächsten und Wehrlosesten, die am Wenigsten zu melden haben. Gott aber hat es nicht nötig, von einem Menschen verteidigt zu werden, sonst wäre er ein schwacher Gott.

Ich nehme mich zu wichtig und greife zu den falschen Mitteln, anstatt im richtigen Moment loszulassen und die Dinge Gott zu überlassen. Gott wird mir zur richtigen Zeit meinen Einsatzbefehl geben, und dann wird der Einsatz seine Wirkung nicht verfehlen und nicht verletzen, sondern zu IHM bekehren und heilen. Stattdessen heilt Jesus den Schaden, den ich angerichtet habe, ebenso, wie er das abgeschlagene Ohr des Dieners heilte. Er löst die gordischen Knoten, die scheinbar heillosen Verstrickungen, die ich selbst durch das Zappeln im Netz des Widersachers verursacht habe, die für Menschen unlösbar sind.

Auf der anderen Seite verleugne ich ihn, so wie Petrus seinen Herrn vor dem Hahnenschrei dreimal verleugnet hat, und das sogar völlig ohne Not, wenn es für mich um nichts geht. Diese Widersprüchlichkeit des Petrus ist auch in mir. Im Gespräch mit andern, vor allem mit völlig Fremden, schweige ich oft über meinen Glauben, aus Angst vor möglicher Verachtung. Dabei ist es doch völlig gleichgültig, ob sie mich verachten oder nicht. Ich kenne diese Leute gar nicht, ebenso wenig, wie Petrus diejenigen kannte, die ihn auf seine Zugehörigkeit zu Jesus ansprachen. Ich hätte nichts zu verlieren, und dennoch relativiere oder schweige ich.

Ich bin der Hohe Rat.

Spielregeln haben eingehalten zu werden, dafür gibt es sie ja schließlich, seien sie sinnvoll oder nicht, es geht schließlich ums Prinzip. Da könnte ja jeder kommen. Tiefe Verunsicherung. Unmerklich habe ich Gottes Spielregeln mit den meinen gemischt. Halte beides nicht mehr auseinander und erwarte von anderen, dass sie sich danach richten. Seit Ewigkeiten warteten Generationen von Israeliten auf den Messias, sie haben eine klare Vorstellung davon, wie er zu wirken und zu leben hat, und wie eben auch nicht. Alles ist klar, und dann kommt plötzlich einer, der alles, woran ich geglaubt habe, auf den Kopf stellt. Angst. Die Komfortzone verlassen, das bringt Veränderung, die mich womöglich Kopf und Kragen kostet, durch die ich aber ebenso unendlich viel gewinnen könnte. Ich müsste völlig neu denken. Eigentlich weiß ich, dass ER Recht hat, aber ich lehne oft genug das ab, was mir zum Segen gereichen könnte, weil ich es nicht sehen WILL oder meine eigenen Vorstellungen so in den Vordergrund setze, dass Gott keine Chance bei mir hat.

Ich bin Pontius Pilatus.

Meine Handlungsspielräume zum Wohle anderer zu nutzen, versäume ich hin und wieder. Stattdessen gehe ich lieber den bequemeren Weg. Die Karriere, bei mir im Sinne eines weltlichen Vorteils, ist mir oft genug wichtiger als Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Lieber ‚ein Freund des Kaisers‘ sein und seinen vorteilhaften Status behalten, als wahrhaftig und gerecht zu bleiben und auch die Not von jemandem zu sehen, dessen Schicksal ich ändern könnte.

Ich gröle mit der Masse.

„Ans Kreuz mit ihm!“ In manchen Dingen schließe ich mich unreflektiert der bequemen Mehrheit an. Man wähnt sich auf der richtigen Seite, bei den Guten. Dabei wäre es viel besser, manches zuerst gründlicher zu reflektieren, bevor ich mir eine Meinung zu eigen mache, die in Wahrheit gar nicht die meine ist sondern die der Masse. Oft liegt die Masse nämlich falsch.

Ich bin Veronika.

Hin und wieder habe ich Momente, in denen ich aus Liebe zu Gott im richtigen Moment das Richtige tue. Sie sind so selten, dass sie in meinem Gedächtnis haften bleiben und Erwähnung finden, wie das Dareichen des Schweißtuches an Jesus durch eine unbekannte Frau, die man später Veronika nannte. Das darf aber nie zur Überheblichkeit im Guten führen, denn im nächsten Moment falle ich.

Ich bin einer der Jünger.

Sie haben Jesus ein paar Jahre begleitet, er hat sie als ihr Rabbi gelehrt, und doch haben sie ihn im entscheidenden Moment verlassen. Gethsemane: Schlafen ist wichtiger als Wachen, während Jesus Blut schwitzt. Sie hätten längst wissen müssen, wer er ist, und was nach seinem Tod kommt, schließlich hat er ständig das Reich Gottes verkündet und von der Zukunft gesprochen. Sie haben nichts verstanden. Unterm Kreuz waren sie, bis auf einen in der Ferne, alle weg. Aus Angst und Schrecken vor dem, was kommen sollte, und aus Angst darum, dass ihnen womöglich dasselbe bevorstünde wie Jesus haben sie im entscheidenden Moment die Flucht ergriffen. Schließlich waren sie seine Anhänger, und damit waren sie verdächtig. Auch ich fliehe oft genug vor dem, was Gott mir zumutet, vor Unannehmlichkeiten, Aufgaben und Verantwortung. Halte es für unerträglich, dabei trägt er mich hindurch wenn ich nur vertraue, aber ich meine, ich müsse es selbst tragen. Ich suche Ausflüchte, will nicht so genau hinsehen. Ich habe Angst vor den Konsequenzen eines Bekenntnisses zu Gott und eines Handelns nach seinem Willen.

Ich bin der reuige Schächer neben Jesus am Kreuz.

„Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein!“ Viele Sünden und Fehler habe ich begangen und wurde auch oft genug dafür vom Leben bestraft, und ich werde weiterhin Sünden begehen, mehr oder weniger schlimme. Dann lässt Gott Dinge zu, vor denen er bewahren könnte. Die Beurteilung der Schwere einer Sünde steht uns nicht zu, sondern nur Gott. Keine Tat ist schlimm genug, als dass Gott sie nicht bei echter Reue vergeben würde. Ich kenne oft selbst die Beweggründe nicht, die mich zur Sünde treiben. Da kann ich mit Paulus sinngemäß sprechen: Ich tue das, was ich nicht tun will, und unterlasse das, was ich tun will. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Gott aber kennt die Hintergründe, er kennt mich besser als ich mich selbst, er kennt sogar die Anzahl der Haare auf meinem Kopf, obwohl selbst mein mich extrem liebender menschlicher Vater mich als sein Kind nicht so sehr lieben konnte, als dass er je auf die Idee gekommen wäre, meine Haare zu zählen. „Gedenke meiner, wenn Du in dein Reich kommst!“ Wenn ich mit dem Schächer so spreche, anerkenne ich, dass Jesus die Vollmacht über Leben und Tod hat, dass er mein Herr ist, und dass er mich aus Gnade erretten wird, trotz meiner Sünden.

Ich bin der römische Soldat.

Als römischer Soldat war er sicher ein harter Kerl. Er hat vielleicht hundertfach gefoltert und getötet, kann es nicht mehr so genau zählen, Routine halt. Die Gesichter seiner Delinquenten kennt er nicht mehr, es sind schlicht zu viele. Vielleicht betäubt er sich auch, weil ihn die todesängstlichen Augen seiner Delinquenten bis in den Schlaf verfolgen. Womit betäube ICH mich? Mit Medienkonsum? Gutem Essen? Hobbys? Oder er ist eben abgebrüht. Ohne Härte geht das Soldatendasein nicht. Er stand bei Jesu Kreuz, hat womöglich bei der Kreuzigung selbst mitgewirkt und erkannte erst nach Jesu Sterben: „Dieser ist wahrhaftig Gottes Sohn gewesen!“ Oft erkenne ich erst im Nachhinein, was ich mit meinem Tun angerichtet habe, grausame Routine, immer wieder, aber dann ist es zur spät. Es bleibt nur noch das Bekenntnis zu Gott und die Hoffnung auf seine gnädige Vergebung.

Ich bin eine der weinenden Frauen unterm Kreuz.

Oft genug bereue ich schon in dem Moment, in welchem ich jemanden verletzt habe, aber es ist durch mich nicht mehr gut zu machen. Das übersteigt absolut meine Möglichkeiten. Ein gesprochenes Wort lässt sich nie wieder einfangen, es entfaltet seine Wucht und schlägt Wunden. Tod und Leben liegen in der Macht der Zunge, auch in MEINER Zunge. Ich muss diese Wunden mit ansehen und mit ertragen, die ich verursacht habe, den Schmerz und das Leid, das ich ausgelöst habe. Ich weine über meine Unzulänglichkeit, ich trauere über die, die ich ans Kreuz genagelt habe, und ich muss oft genug auch ertragen, wenn jemand anderen jemanden ans Kreuz schlägt. Ohnmacht, absolute Ohnmacht. Außer Weinen und Trauer habe ich keine Macht, die Dinge zu ändern. Ich muss es vertrauensvoll Gott überlassen, dass er für die Betroffenen die Dinge zum Guten wendet.

Ich bin NICHT Jesus.

Die Kreuzigungen, die ich im Laufe meines Lebens durch andere erfahren habe, sind nichts gegen das, was Jesus erfahren hat. Auch ich habe andere gekreuzigt. ER hat jeden erdenklichen Abgrund menschlichen Leides erlebt. Gott musste Mensch werden, denn Gott kann als Geist dieses Leid nicht erleben. Jesus ist auch nicht einfach nur Vorbild, denn wäre das so, wäre jeder Mensch, so auch ich, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das Leben wäre nur ein perfides, böses Spiel. ER ist gekommen, um meine Schuld ans Kreuz zu tragen und mich damit beim Vater zu versühnen, und genau DAS kann kein Mensch. Seit seiner Auferstehung ist er in mir, und ich ihn ihm. Somit bin ich dann doch auch wieder Jesus. „Was du dem Geringsten meiner Brüder tust, das hast Du mir getan!“

Was bleibt.

Jesus Christus hat nach seiner Auferstehung am See Genezareth für einige seiner Jünger, auch den Petrus, der ihn noch kurz zuvor verleugnet hatte, Frühstück bereitet. Er hat verziehen, alles. So gibt es Hoffnung auf die Gnade Gottes. ER hat sich auch für mich kreuzigen lassen, und für Dich, ist gestorben, begraben worden und auferstanden, damit ICH lebe, damit DU lebst, aber das ist ein anderes Kapitel.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar